Bild: Djmoca, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Gestern war mein erster ganzer Tag am Meer, in Chacala, den ich vor dem gebuchten achttägigen Sesshin in Mar de Jade zur freien Verfügung haben würde.

Sehr früh wachte ich auf, weil ich noch durch die Flüge nach Übersee das Brummen der schweren Maschinen, das lange Sitzen und die Zeitverschiebung im Körper hatte. Nora, die Schwester der Hotelbesitzerin, hatte mir gesagt, dass nachts die Hunde am Strand seien, und ich fürchtete mich davor, zu früher Stunde ans Wasser zu gehen. Ich fürchtete mich sogar, hineinzugehen, ins Mer, irgendwie war mir alles fremd, wenige Menschen schwammen und schon gar nicht wie bei uns in Deutschland, vor dem Frühstück, als Körperertüchtigung. Dass die Seele dabei jauchzen kann, wissen wiederum wir, die geborenen Frühschwimmer.

Auf den beiden Dachterrassen von Casa Liquen war es noch dunkel gewesen, und ich fand nicht so richtig zur Ruhe, weil es ein wenig kühl war und das brausende Meer mich anzog. Also zog ich meinen Badeanzug unter und ging los. Am Fuß der Treppe angekommen, setzte ich mich erst einmal und schaute.

Eine junge Frau mit langen Haaren stand am Meeressaum und machte sanfte Bewegungen, drehte ihren Körper, vielleicht betete sie auch. Danach war mir auch zumute, aber ich traute mich noch nicht. Wo sollte ich meine Tasche lassen, die ich überflüssigerweise mitgenommen hatte? Das nächste Mal würde ich nur mit einem Tuch und barfuss kommen, ohne Sorge, jemqnd am Strand könnte Gefallen finden an meinem Turnbeutel.

Ein Hund sah die Frau unverwandt an. Als würde er sie aus gebührendem Abstand bewachen. Er sass lange. Ich auch. Ein weiterer Hund näherte sich von rechts, blieb stehen und guckte. Ohne sich zu bewegen. Nach einer längeren Zeit stand ich auf und bewegte mich langsam. Hund Nr. 1 drehte seinen Kopf zu mir, und so blieb es. Ich blieb stehen und schaute ruhig. Auf ihn, das Meer. Eine Ewigkeit. Vielleicht war weiter hinten am Strand noch ein Hund. Ich beobachtete, wie eine Gruppe von drei jungen Männern mit Handtüchern erschien. Sie legten ihre Handtücher über einen Pfahl, und jeder schnappte sich eines der Surfbretter, die hochkant aus dem Sand ragten. So strebten sie dem Wasser zu. Ganz unterschiedlich meisterte es jeder der Männer, schliesslich aufrecht stehend die Wellen zu reiten. Zum Pfahl sehend, erkenne ich Hund Nr. 3, das Eigentum der drei bewachend.

Ich staune. Setze mich langsam in Bewegung. Auf dem Weg ans andere Ende der Bucht, wo ich “Mar de Jade” einen ersten Besuch abstatten wollte, begegneten mir einige Hunde, aber keineswegs „viele“. Sie legten tadelloses Benehmen an den Tag, man wollte fast annehmen, sie würden sich kurz verbeugen vor jedem Menschenwesen, das ihnen begegnete, und vornehm und unberührt weiter traben.

Meine Angst war unbegründet. Keine Hundeleinen, keine gedemütigten, hechelnden, neugierigen Hunde, die an einem herumschnüffeln wollen. Nein, hier haben sie genügend Abwechslung auf den holprigen Wegen, den Auslagen von Früchten und Anderem, jede Menge Gerüche und ein ständig verfügbares Meer, mit dessen Schaumkronen man Jagen spielen kann. Sie fühlen sich zuständig für jede Seele des Dorfes und vielleicht auch des Fremden, und bieten taktvoll ihre Präsenz an.

Während der Zwischenzeiten sitzen sie Zazen, wie Ägyptische Tempelhunde, und bezeugen die Schönheit des Einen.