Gedenkstele für die Opfer des Lagers Much

Ich hatte mir Zeit genommen, mich mit der Fahrt nach Much zu befassen (könnte ich auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln dorthin gelangen? Da wir spazieren gehen wollen: Was gibt es Interessantes?)

Schnell stieß ich auf die sog. „Landjuden“ an der Sieg, von denen Hunderte in Much zusammen getrieben und in einem Gebäude untergebracht wurden, das in jeder Hinsicht zu wünschen übrig ließ. Gibt es dieses Gebäude noch? Überreste davon? Ich meine, wenn wir schon einmal dort sind, ist mir daran gelegen, mich umzuschauen.

Es stellte sich heraus, dass es eine „Gedenkstele Walkweiher“ https://www.senioren-in-much.de/gedenkstele-walkweiher.html, gibt, die Informationen liefert und eindrucksvoll ist. Ich hatte morgens spontan mein Rakusu* und die Klangschale eingepackt, die ich auch in Birkenau und Krakau stets dabei hatte.
Ich lud uns beide, Ingo Thies und mich, zu einem stillen Sitzen an dem Gedenkstein ein, der die Namen der deportierten Jüdinnen und Juden und deren Geburtsdatum auf je einer Steintafel links und rechts und an der Vorderseite des Steines eingraviert hatte. Die herausgemeißelten Figuren unter den Namen, die hinter einem nicht ganz vollständig geöffneten Vorhang zu sehen waren, fand ich eindrucksvoll. Sie erinnerten an antike Reliefs, aus Ägypten oder Griechenland.

Auf der Stele sind die Namen der Opfer eingraviert.

Nach dem Sitzen rezitierte erst Ingo die Namen auf der rechten Seite. Nach einer kurzen Pause las ich die von der linken Tafel. Wir verbeugten uns vor den Ermordeten, von denen nur ein einziger (sein Name wird im Bericht genannt) überlebt hatte. Ich hatte Ingo gerade am Samstag früh das kostbar eingebundene und sorgfältig gestaltete Büchlein als Geschenk überreicht. Es enthält die in ‘Haus Felsentor’ verwendeten Sutren (buddhistische, heilige Texte) und den deutschen Übersetzungen zu den üblicherweise auf Japanisch (und in der jeweiligen Landessprache) rezitierten alten Texten. Wir rezitierten dreimal das ‘En Mei Jukku Kannon Gyo, das traditionell im Zusammenhang mit Toten-Gedenken oder großem Leiden gesungen wird. Kannon oder Kanzeon ist der japanische Name für den Bodhisattva des Mitgefühls, in Sanskrit Avalokiteshvara, in Tibetisch Chenresig, der meist in weiblicher Gestalt dargestellt wird. Wir sangen außerdem das Lied “Von guten Mächten wunderbar geborgen” und “Herr, erbarme dich…”.
Mir war nach drei Niederwerfungen (man kniet, die Stirn berührt die Erde, die Handflächen werden nach oben offen gehalten) zumute, die täglich morgens zu unserem Programm gehören aber das Erdreich war zu matschig, so dass wir es bei tiefen Verbeugungen zum Grasfeld hin beließen, auf dem möglicherweise das gefängnisähnliche Gebäude gestanden hat. (“Gefängnisähnlich” deswegen, weil Jüdinnen und Juden praktisch alles verboten war, was wir als “normal” erachten, um am sozialen Leben eines Ortes teilzuhaben.)

 

Monika gedenkt der Opfer

Mit einer gewissen Heiterkeit und Freude, wie so oft nach Ritualen, die unsere beunruhigte Seele tief ansprechen, schauten wir uns die anderen beiden Kunstwerke an, die nahe an diesem Gedenkstein standen. Merkwürdigerweise habe ich keine Erklärungen zu ihnen auf den Informations-Seiten über Much gefunden.

Am kommenden Tag war ein Mitglieder-Ausflug der ‘Christlich-jüdischen Gesellschaft für Zusammenarbeit’ nach Windeck geplant; ebenfalls ein Ort an der Sieg mit einem Museum, das Zeugnis ablegt von der Präsenz der ‘Landjuden’ in der Region. Als Mitglied in dieser Gesellschaft war ich angemeldet, konnte aber leider nicht teilnehmen, weil ich einen Notruf erhalten hatte, auf den ich mit genügend Zeit reagieren wollte. Inzwischen habe ich mich über den Ort informiert, der in zahlreichen renovierten Fachwerkhäusern zu interessanten  Ausstellungen einlädt. Es lohnt sich sicherlich, einen längeren Ausflug dorthin zu planen und am Ende vielleicht eine ähnliche Zeremonie zu machen, wie wir sie in Much ein wenig experimentell haben entstehen lassen.

Traurig und nachdenklich dachte ich, ich könnte wahrscheinlich immer Glocke, Kerze (ab Herbst), Räuchwerk, vielleicht noch eine Blume und ein Gebetsbüchlein dabei haben, wie wir es gerade erstellen: Für unsere jüdischen und für unsere Sinti und Roma-Geschwister, die leider wieder sehr um ihre Anerkennung als weitere ethnische Gruppe, die vernichtet werden sollte und auch große Verluste erlitten hat, kämpfen muss. – Vielleicht helfen wir ihnen einfach ein bisschen.

Möge die Menschheit lernen, was Frieden ist. Möge jede:r einzelne von uns Gastfreundschaft und unbedingte Solidarität mit Fremden leben, wie es in vielen alten Völkern dieser Erde stets Brauch war und ist.

*Rakusu: Einem Lätzchen ähnliches, selbst genähtes Laiengewand, das bei formellen Handlungen im Zen Buddhismus getragen wird. Es wird einem zusammen mit den Gelübden in einer Zeremonie, die JUKAI heißt, verliehen. Hinten auf dem weißen Stoff des Rakusus, hat der Lehrer oder die Lehrerin den Dharma-Namen geschrieben, den die “Adeptin” ab dem Zeitpunkt bekommt. Wie mit diesem Namen umgegangen wird, ist völlig unterschiedlich.