Wir beobachten eine seit Jahren zunehmende Verkürzungswut in der Sprache. Als hätten wir chronisch weniger Zeit, dürften weniger Raum als früher einnehmen.
Als würden die Silben, wie bei den früheren Telegrammen, buchstäblich Geld kosten. Ich fand das immer furchtbar. Verroht, verkümmert, ausgeblutet, solche Schreibsprache – und auch „verdummt“, sorry. Jeder Idiot kann schreiben: „ankomme 12, treffen McDonald‘s. Burgers‘ sale, xxl, to go.“ Die „Sprachmeister*innen des kurzen Wortes“ verabscheuen lange Rede, tiefes Schürfen, genaue Beschreibungen, weite Ausführungen. Funktional hat das Leben zu sein, „verzweckt“, sagt Herr Drewermann, Austausch scheinbar, ohne Gefühlsinvestition, Berührung.
Das aber brauchen wir Menschen. Was passiert mit uns, wenn wir uns belügen, weil wir nicht anecken wollen, „flotte Worte“ benutzen und uns in deren Gebrauch schlau, fit und „angesagt“ fühlen? Warum lassen wir uns von den amerikanisch-englischen Kürzeln den Kopf verdrehen? Jeder lange Vorname muss chronisch gekürzt und vereinfacht werden, damit wir uns bloß nicht überfordern, im Zuhören, Memorieren, Nach-Worten-Ringen?
Wir schneiden uns damit nicht nur von unseren eigenen Wurzeln ab, sondern lassen uns freiwillig verdummen, verkindlichen. Klar, Telegramme sind durch SMS ersetzt worden, also fassen wir uns, wenn wir wollen, kurz. Aber ich mag es durchaus, auch mal wieder briefähnliche Inhalte zu lesen und zu verschicken, mit Anrede, Mittelteil, Schlussformel. Wow, der/die andere nimmt sich richtig Zeit! Was für ein Genuss. „Du, ich freu’ mich richtig, Dich am Bahnhof abzuholen: Haben wir Zeit, einen Kaffee dort zu trinken? Wo?“ Wir sind verantwortlich für unsere Worte, auch schon für unsere Gedanken, sagt Buddha. Wow! Meine hässlichen, ungeschliffenen, bewertenden Gedanken erschaffen die Welt mit? Schon, denke ich. Ob ich jemanden im Raum verfluche oder segne, kann von sensiblen Seelen durchaus gefühlt werden.
Vielleicht können wir festhalten: Regelmäßiges Durchlüften unseres Geistes zusammen mit Fütterungen von qualitativ hochwertigem Input, setzt voraus, dass ich bereit dazu bin, mir Zeit zu nehmen. Auch Zuhören ist ein Akt der Großzügigkeit, und Freundlichkeit kann auch auf kleinen, digitalen Formaten geübt werden. Erinnern wir uns: Das größte Geschenk, das wir anderen machen können, ist, ihnen unsere Lebenszeit zu schenken. Statt „Cafe to go“ würde ich dafür werben, dass man nicht nur den Kaffee im Sitzen genießen kann und sollte. „Zum Mitnehmen“ sollte ein Geschenk für jemanden sein – vielleicht für mich selbst. Legen Sie in paar gute Bücher in Ihren Coffeeshop: „Buch togo“ fände ich als Gegenbewegung gut, für die Anregung von Fantasie, Sprach- und Lebenskunst. Laden Sie einmal in der Woche oder im Monat zu einem islamischen/jüdischen oder sonst wie Kaffeetrinken mit passender Lesung oder einem Vortrag ein.
Ob man Stille und Kaffeetrinken miteinander verbinden kann? Fassen Sie einen Entschluss, was Sie aktiv unterstützen werden. Jedenfalls keinen Ausverkauf der Sprache mehr.
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